Im Kindergarten meines Sohnes machte ich meine ersten Erfahrungen mit dem "situationsorientierten Ansatz".
Meint: "Man orientiert sich an den Bedürfnissen der Kinder und holt sie dort ab, wo sie sich in ihrer Entwicklung befinden.
Ein Spitzen-Konzept. Vor allem auch, um meine Eltern vom Skypen, Facetime etc. fernzuhalten. So lange sie sich nicht mit diesem Thema an uns wenden, haben wir nix gehört, bzw. nix gesehen.
Heute war es soweit. Als ich gerade dachte, das Gespräch mit meinem Vater sei quasi zuende, holte er aus zum finalen Donnerschlag.
Nun sagte er nicht etwa : "Du, es wäre doch schön, wenn wir uns auch sehen können, wie geht das denn?".
Er sagte, auf seine unveränderlich charmante Art: "Sag mal, warum seid ihr eigentlich nicht in der Lage uns mal zu erklären, wie man mit Video telefoniert?". Ich ließ die Zwiebel, die ich gerade verwerten wollte, fallen. Und holte tief Luft.
Joah. "Also Papa, ihr habt nie gefragt." "JA WIE GEHT DAS DENN JETZT?"
Ich habe bereits lange den Überblick über die technischen Gerätschaften meiner Eltern verloren. Grob weiß ich, dass mein Vater gerne neue Handys kauft, meine Mutter sich dem stets verweigert. Weithin weiß ich, dass mein Vater Whatsapp ausgesprochen blöd fand, weil dieses Programm unverschämterweise alle Nachrichten speichert. Mein Vater ist ein ordentlicher Mensch und verfolgt das Prinzip, "was nicht mehr gebraucht wird kann weg". An dieser Stelle kam er mit Whatsapp nicht überein. Ich habe etwas länger gebraucht, um sein Problem zu verstehen, konnte aber auch keinen Konsens schaffen.
Ganz blöderweise sage ich jetzt: "Mit Whatsapp wäre eine Option, aber das hast du ja nicht mehr". "ICH HAB WHATSAPP! Ich habe gestern noch jemandem ein Bild geschickt." Zum Hintergrund: Mein Vater HATTE Whatsapp. Mit oben beschriebenen Schwierigkeiten und der Einschränkung, dass ich ihm zwar Fotos schicken konnte und er sich diese gerne mit meiner Mutter zusammen ansah, ich aber maximal mal ein "y" zurückbekam. Dann geschah das große Unglück. Mein Vater schloss einen neuen Vertrag ab und behielt sein altes Telefon. Er hatte damit "ja nur eine neue Nummer" und damit seiner Meinung nach immernoch Whatsapp. Weil es ist ja immernoch das gleiche Gerät! BASTA!
Nun hatte er also offenbar ein Bild per SMS geschickt und ich wusste, ich konnte nur verlieren. Ich tat, was ich tun musste. Ich rief ihn über Facetime an. "Huch, jetzt klingelt" das Handy! "Ja, geh mal ran"
... ... ... (Im Bild mein Vater, Festnetz am Ohr, freudiger Blick ins handy. Dann:)
"Du könntest dich mal kämmen.". "Hallo Papa!. Geht ganz einfach, siehste!" (*freu). Wir surften gemeinsam auf einer Woge der Begeisterung. Vor lauter Freude hielt ich das Handy dem Sohn hin "hallo Opa, schau - ich mache Latein". "Du schreibst aber unordentlich!" (In Wahrheit verwendete er ein Wort heimischen Dialekts, welches der Sohn nicht kannte, was zu kurzer, aber sauber ausgeführter dämlich dreinschauender Miene seinerseits führte, bis ich den Tatbestand aufklären konnte.)
Ich holte mir mein Telefon zurück und ging mit meinem Vater zurück in die Küche. "Du darfst nicht so wackeln!" rief er mir zu. Keine Ahnung, ob er befürchtete davon seekrank zu werden, ich fühlte mich jedoch, nach diesem kurzen optischen Erlebnis nun schon zum wiederholten Male gemaßregelt und bereute, das Handy nicht in den Suppentopf fallen gelassen zu haben als es noch nicht zu spät war.
Wir übten noch ein wenig. Zum Beispiel, dass man das Festnetz-Telefon auch auflegen kann und man sich dann immernoch im Handy sieht. Wir suchten Facetime auf seinem Handy und fanden es nicht. Wir gingen zusammen in den App Store (mittlerweile wieder mit dem Festnetz-Telefon am Ohr) und er schaffte es, mich über facetime anzurufen. Erschöpft hielt ich die Zwiebeln ins Bild. "Du ich muss jetzt mal...." "Ja, koch du mal. (Bei sowas gibts irgendwie keine Diskussionen) "Tschüss."
Und nun sitze ich hier, tendenziell verängstigt und zu allem bereit. Denn spätestens morgen, wenn nicht bereits heute Abend: Ruft meine Mutter an.