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Aye Corona

Eine ernste Sache. Wir bleiben zuhause. Wir verabreden uns nicht, waschen unsere Hände sorgfältig und bemühen uns wirklich. 

 

In meiner aktuellen Veränderungssituation hat diese Krise natürlich auch spezielle Auswirkungen. Die Jobsuche, so wie ich sie mir vorgestellt hatte, liegt erstmal auf Eis. Weder als Interim, Freiberufler noch als Festangestellter geht gerade viel. Zum anderen: Die Kinder sind zuhause. Mein Mann auch. Der sitzt allerdings den ganzen Tag im obersten Stockwerk, angemessen gekleidet und schwer beschäftigt. 

 

Was mich ja total ankekst: Jetzt sind wir wirklich angekommen im klassischen Rollenmodell. 

 

Das krasse an der Situation ist nämlich in meiner Welt gar nicht unbedingt, dass das Kind da ist. Nein, viel schlimmer, der Mann ist auch da! Also körperlich anwesend, ausgestattet mit den klassischen Stoffwechsel - Funktionen, allerdings zu 100% fokussiert auf die Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit. Dabei wirkt er in seinem dabei - nicht natürlichen - Lebensraum währenddessen etwas drüber. Wir sind da kein gutes Publikum. Wir reagieren irritiert, wenn jemand im Anzugshemd durch die Wohnung stolziert, einen Knopf im Ohr, unentwegt technische Details schmetternd, engagiert, echauffiert, verzweifelt - und am Ende auch siegesgewiss. Wie sage ich es ihm? Wie sage ich ihm überhaupt etwas so, dass er mich nicht missversteht - wenn ich ihm eigentlich lieber einen Stein an den Kopf schmeißen will?

 

Stoffwechsel, genau. Also meint, die haben - sobald in Gang gebracht - auch noch alle Hunger. Sie essen aber nicht das Gleiche. Angelehnt an die Bruchrechenaufgaben meines Sohnes könnten wir nun den kleinsten gemeinsamen Nenner suchen. Oder wir (also ich) machen es ganz geschickt. Bei uns gibts modulares Essen. Ja, genau. Nicht molekular, sondern modular. Basis-Salat, Basis-Soße, Basis-Sättigungsbeilage. Dazu ein knappes Dutzend Schälchen, mit deren Inhalt sich jeder sein individuell schmackhaftes Mahl zubereiten kann. Da kann man sich auch verzetteln. Hauptsächlich hat man am Ende in jedem Fall aber gefühlt 3 Dutzend Schälchen, Teller, Tetris-artige umfüll - und im Kühlschrank-lager Aufgaben. Quasi Problem, Analyse und kreative Lösung in einem, so wie ich es aus vielen Jahren Berufserfahrung kenne. Da werde ich dann aber auch bezahlt. Und habe weniger schrecklich aussehende Spülhände. 

 

Mit Mann und Kind verfahre ich vom Prinzip her gleich. Rechtzeitige Ankündigung ist die Devise. 30 Minuten vor Fütterung fange ich also an zu rufen. "Ich setze jetzt das Wasser auf" - "ich mache jetzt die Nudeln rein" - "in 10" in "5" in "2" - Minuten können wir essen. "Ich schütte jetzt die Nudeln ab" "Essen steht auf dem Tisch". Das Kind kommt dann zumindest zuverlässig angeschossen. Der Mann hat aus Versehen den Teenie Text verschluckt und verwendet ihn durchaus souverän: "Ich komme gleich" "gleiheich". 

 

Endlose fünf Minuten später sind dann alle beisammen. Das festliche Mahl dauert inklusive Töpfchen hin und herreichen dann knappe sechs Minuten. Dann muss der Mann in eine Telco, der Sohn schleicht sich bei der Gelegenheit auch weg. Ich sitze vor meinem halbvollen Teller und sehe Äxte und Schusswaffen vor meinem inneren Auge. Morgen gibts Steine, denke ich. Oder Seeigel. Oder Kugelfisch, unsachgemäß zubereitet. Ich esse meinen Teller leer und räume das Chaos auf. 

 

Ich kann sie fühlen, die Sinnhaftigkeit des althergebrachten Rollenmodells. Wahrscheinlich nicht so dolle wie meine Männer, denn ich kann etwas anderes noch viel deutlicher spüren. Und das schreit vollkommen hysterisch "nicht mit mir!" und schwingt im Takt dazu das Nudelholz.

 

Ich ziehe den Hut vor allen Vollzeit Müttern, das ist Hingabe in höchster Form. Aber ich habe dieses kleine, hungrige Ding in mir, das will nicht nur für die anderen der Anschieber, Koch, Stimmungsaufheller, Erinnerer usw. sein. Vor allem, wenn es sich bei den Mitbewohnern durchaus um gesunde und zumindest halberwachsene Menschen handelt. 

 

Das Ding ist fordernd und gemein - und hat Rachegelüste. Und das mit der Hingabe habe ich, zugegeben, ja auch die meiste Zeit nicht wirklich ausgelebt. Meine Hingabe ist zwar vorhanden, hat aber ganz andere Hobbies. Angesprochen auf nicht-wertgeschätzte Service-Dienste im Kreise der Familie (und nein, meine Lieben: Ein: "Das war wirklich lecker" reicht hier nicht!!!) kann ich das nämlich auch. Mich gähnend zurücklehnen und müde rufen: Gleich. Gleheich...Wirklich, gleich! Und dann gibts halt Steine. Und das bereits am 5. Tag von 5 Wochen, die vor uns liegen.